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Hier kocht die Erde selbst

Aus Azoren-Inforeise Juni 2012

Auf der Azoreninsel Sao Miguel wird nicht nur das Wetter gemacht

Die Bandscheiben lassen grüßen. Wenn Kapitän Rui Rodrigues den „Hebel auf den Tisch legt“, wie Seefahrer das Vollgas gerne nennen, verwandelt sich der so ruhige Atlantik vor Sao Miguel in eine grobe Schotterstraße. Nur wenig federn die dick gepolsterten Sattelsitze der „Alfredo Baleeiro“ die harten Schläge ab, wenn ihr Bug wie in ein Schlagloch zwischen zwei Wellentäler vor der Hauptinsel der Azoren knallt. Fast 40 Minuten lang saust das 8,50 Meter lange Schlauchboot vorbei an rastenden Gelbschnabel-Sturmtauchern auf die offene See hinaus. Dann zieht Rodrigues den Gasgriff hoch und drosselt das Tempo, denn das Boot hat plötzlich Gesellschaft bekommen.

Große Tümmler und Fleckendelfine schieben sich, beim Auftauchen ein lautes „Pfiiuu“ ausstoßend, neugierig bis auf  wenige Zentimeter an die Gummiwülste heran. Sie scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, direkt vor den ausgestreckten Armen der Bootsbesatzung wieder abzutauchen. Vor den Schwimmern, die sich behutsam aus einem Nachbarboot zu ihnen gesellen, zeigen sie ebenfalls keine Scheu, halten sich aber auch nicht allzu lange bei ihnen auf. Der direkte Kontakt mit den Meeressäugern ist ein Höhepunkt der täglichen Wal-Beobachtungstouren, die an die Stelle des einst dort betriebenen Walfangs getreten sind. Für viele gibt es kein besseres Revier. Fast 40 Walarten wurden in diesem Teil des atlantischen Ozeans schon gezählt.

 Als Namensgeber für Hochdruckwetterlagen sind die 1300 Kilometer von ihrem portugiesischen Festland entfernt liegenden Azoren noch immer bekannter denn als Urlaubsregion. So leben die 140.000 Einwohner von Sao Miguel überwiegend von der Landwirtschaft, was auch die doppelt so große Zahl von Milchkühen erklärt. Dabei hat die am besten erschlossene Insel der bis zu 600 Kilometer weit auseinanderliegenden Gruppe viel von dem zu bieten, wonach sich aktive Urlauber in Trendregionen sehen: Ruhe und Natur.

Ein gut ausgeschildertes Wanderwege-Netz beginnt direkt vor den Toren der  überschaubaren freundlichen Hauptstadt Ponta Delgada, ausgewiesene Fahrradwege sind noch selten. Trotzdem empfiehlt sich die Erkundung der Insel mit dem Zweirad auf jeden Fall. Wem für ausgeprägte Berg- und Taltouren kräftige Oberschenkel und die nötige Kondition fehlen, der greift zum Elektro-Fahrrad, das die Firma Pedelo-Travel eben erst dort etablierte. Mit eingebautem Rückenwind kommen Jung und Alt schadstofffrei in die entlegendsten Winkel.

Zwar haben Haus- und Schiffbau sowie der Bedarf an Brennholz ihren Tribut in den einst dichten Lorbeerwäldern gefordert. Doch die wiederhergestellten alten Handelspfade, oft gesäumt von himmelblauen Hortensien, erschließen immer noch eine äußerst grüne Insel. An vielen Stellen bieten sie dem Wanderer so atemberaubende Ausblicke wie auf die Steilküste bei Ladeira da Velha im Norden. Oder vom 915 Meter hohen Pico de Baroso auf den Lagoa  do Fogo. Der Süßwassersee in der Inselmitte hüllt sich gern geheimnisvoll in Nebelschwaden. Atemberaubend und dem vulkanischen Ursprung des Archipels geschuldet sind auch die Schwefeldämpfe, die bei den heißen Quellen im verwunschenen Naturpark Caldeira Velha austreten. Riesenfarne und üppige Sicheltannen säumen dort den Weg zwischen schroffen Felsen vorbei an einem kleinen aus eisenhaltigem Wasserfall gespeisten Weiher, der zum Baden einlädt.

Ebenfalls eisenhaltig und gar 38 Grad warm ist der See im Park Terra Nostra. Dessen Bestand an exotischen und einheimischen Blumen und Bäumen, manche schon über 100 Jahre alt, würden vielen botanischen Gärten weltweit Ehre machen. In den Wasserläufen tummeln sich Goldfische, schwarze Schwäne, Enten und Libellen. Im Hotel nebenan wird die lokale Spezialität schlechthin gepflegt: der Cozido nas Furnas. Den kocht die Erde praktisch selbst. Die Köche lassen dazu mit Fleisch, Wurst, Kartoffeln, Kohl und anderem Gemüse gefüllte Töpfe in Erdröhren am Rande des Furnas-Sees hinab, wo sie sechs Stunden lang garen. Dann ziehen sie diese wieder hoch und servieren den Eintopf zu gutem Azorenwein ihren Gästen.

Der edle Tropfen kommt vorzugsweise von der Insel Pico. Deren Einwohner nennen sie die schönste aller Azoreninseln. Aber so nennen die Menschen von Corvo, Flores, Graciosa, Terceira, Sao Jorge, Faial, Sao Miguel und Santa Maria die ihre auch. Die Wahrheit herauszufinden, ist eine lohnende Herausforderung auf dem Archipel.



















































Kurz und knapp (Stand Dezember 2012)

Anreise: SATA und Air Berlin fliegen bis zu zwei Mal wöchentlich non-stop von Frankfurt und Düsseldorf bzw. Nürnberg nach Ponta Delgada auf Sao Miguel (ca. 4.30 Stunden). Ab München ist die Anreise mit Zwischenstopp in Porto möglich (SATA), ab Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München täglich mit TAP Portugal über Lissabon. SATA Air Acores verbindet Sao Miguel mit den übrigen Azoren-Inseln auf dem Luftweg.

Unterkünfte: gute Drei- bis Vier-Sterne-Hotels, z.B. Hotel Marina Atlântico, Ponta Delgada, Doppelzimmer mit Meerblick ab 74 €. Dazu gibt es eine Jugendherberge und Campingplätze sowie Wohnungen in Gutshöfen und Landhäusern.

Verkehr: Die Einstiegspunkte für Wandertouren sind am besten mit dem Mietwagen oder dem Taxi zu erreichen.

Essen: Liebhaber von Fischgerichten kommen auf den Azoren auf ihre Kosten. Die Artenvielfalt ist riesig, zu empfehlen ist Schwertfisch (Peixe Espada), in Scheiben geschnitten und gegrillt. Auch das Fleisch
  vom Inselrind ist eine Delikatesse. Nahrhaft ist die traditionelle Kohlsuppe Caldo Verde. Achtung: Speisekarten gibt es häufig nur in der Landessprache. 

Tipp: Besichtigung der einzigen Teemanufaktur Europas, Chá Gorreana, im Norden von Sao Miguel. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Azoren wird der der Tee dort unter Verzicht auf Pflanzenschutzmittel überwiegend in Handarbeit  kultiviert, geerntet und verarbeitet.

Reisezeit: Aufgrund des ausgeglichenen  Klimas mit milden Wintern und warmen, aber nicht sehr heißen Sommern eignen sich die Azoren als ganzjähriges Reiseziel. Die wenigsten Niederschläge fallen zwischen Juli und September. Die Luftfeuchtigkeit ist relativ hoch, und mitunter gibt es an einem Tag große Wetterumschwünge.

Infos: azoren-archipel.de, pedelo.de, trails-azores.com (Wandertipps in englischer Sprache), Portugiesisches Fremdenverkehrsamt © Uwe Wahlbrink 2012

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