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Mit dem Wind nach Westen

Im Heißluftballon über Borghorst und Burgsteinfurt

Von Uwe Wahlbrink

Das Hermann-Fründt-Stadion liegt noch in leichten Frühdunst eingehüllt. Kaum ein Laut ist zu hören. Über die Borghorster Baumwipfel schiebt sich langsam die Morgensonne. Ein roter Ball, dessen sommerliche Kraft seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Auf dem Rasen steht ein Fahrzeuggespann, dahinter bewegen sich geschäftig weißgekleidete Männer, die konzentriert ihrer Tätigkeit nachgehen. Der dünne Nebel dämpft jedes Geräusch. Schlapp liegt eine Seidenhülle 24 Meter lang ausgerollt auf dem taunassen Gras, wohlgeordnete Leinen führen zu einem kleinen, brusthohen Korb: Das Telekom-Kabelanschlussteam bereitet den Start des Heißluftballons "D-Kopernikus" vor.
Knatternd stört auf einmal ein Gebläsemotor die unwirkliche Stille. Gemächlich blüht sich die Ballonhütte leise flatternd auf. Eine drei Meter lange Feuerlanze stößt fauchend in ihren Bauch, wenige Sekunden nur, dann steht sie bunt und von fast 1000 Grad heißer Luft birnenförmig gewölbt über dem Stadion. Leicht wiegt sie sich im schwachen Westwind. Ballonfahrer Carlo weist die unbedarften Passagiere ein: "Hier und hier festhalten, nirgendwo anders, und bei der Landung mit den Knien abfedern."
Noch einmal reißt er die beiden Neulinge aus ihren erwartungsvollen Gedanken: "Nachher den Ballon nicht verlassen, bevor der Pilot das Kommando dazu gibt. Ihr gefährdet sonst das Leben der anderen!"
Leise ruckt der Ballon am Korb. "Einer kann noch mit", verhilft Pilot Stefan einem der Zuschauer zur unverhofften Ballonpremiere. Plötzlich muss alles ganz schnell gehen. "Los, los, los, einsteigen!" Zum Nachdenken ist keine Zeit mehr. Fotoapparat und Filmkamera poltern in den mit fünf Personen eng besetzten Korb. Hände tasten nach den Halteseilen.
Unbemerkt hat Kopernikus den Boden bereits verlassen. Im Sucher der Kamera werden die Zurückgelassenen kleiner und kleiner. "Mit dem Film nach Westen" – nur die Richtung erinnert an den Film, der die Geschichte einer Heißluftballon-Flucht aus der ehemaligen DDR schildert. Von Dramatik ist hier oben heute nichts zu spüren.
Auf dem Platz "Auf dem Schilde" in Steinfurt-Borghorst bewegen sich bereits die Frühaufsteher – das Stadtfest steht bevor. Die rot geklinkerten Innenstadtstraßen sind nicht zu übersehen, es grüßen die Türme von St. Nikomedes, St. Marien und Auferstehungskirche und von Ferne die des Kohle-Kraftwerks Ibbenbüren. Das Neubaugebiet Grottenkamp liegt noch im Samstagmorgen-Schlaf.
"Ich begrüße Euch an Bord des Ballons ,Delta-Kopernikus´", wünscht Pilot Stefan eine gute Fahrt. Zuvor hat er das 43 Meter hohe Gefährt bei der Flugsicherung angemeldet. Im Äther ist der Funkverkehr mit einem Fesselballon zu hören.
Von 600 Quadratmetern Segelfläche getrieben schiebt sich der Kopernikus in 90 Metern Höhe gen Burgsteinfurt. Das Grün des fürstlichen Bagno verstärkt sich im Licht der aus dem Nebel steigenden Sonne. Schmerzlich werden die Einschnitte durch B 54 und Landstraße in das Naherholungsgebiet deutlich. An Steuerbordseite tauchen die evangelische Große Kirche, das Schloss derer von Bentheim und Steinfurt und dahinter wie ein weißer Schemen Technische Schulen und Kreisverwaltung auf. Aus Richtung Münster läuft ein Zug in den Bahnhof ein.
"Hier arbeite ich", zeigt ein Mitfahrer über der Friedenau auf das Fernmeldezeugamt. Rasch kommt das Industriegebiet Sonnenschein näher. "Wir müssen bald landen", sagt Stefan, "der Wind wird sonst zu stark." Es sei seine erste Alleinfahrt, verrät seine Kopilotin hinterher. Doch für Angst ließen die vielen Eindrücke unterwegs ohnehin keine Zeit. Wie hatte Carlo doch vor dem Start beruhigt: "Es ist noch keiner oben geblieben."
Immer häufiger faucht jetzt das brennende Gas in die Ballonhülle. So sachte wie aufgestiegen senkt sich der Korb auf eine Wiese in der Meteler Heide. Erneut heißt es "Festhalten!". Der Ballon stößt auf den Boden, einmal, zweimal – "Bleib´ stehen, dickes Kind!" spricht der Pilot mehr zu sich selbst – dreimal, das war´s.
War´s eben noch nicht. Denn das rasch herbeigeeilte Begleitteam bringt die drei Neulinge noch zur obligatorischen Ballonfahrertaufe. Und die ist diesmal öffentlich. Vor dem Telekom-Truck auf dem Marktplatz in Borghorst drängen sich bereits die Zuschauer. Stefan sagt den Spruch auf, mit dem die Mitfahrer in den Adelsstand der Luftritter aufgenommen werden. Feierlich geloben die Täuflinge, nie mehr wieder vom Ballonfliegen, sondern nur noch vom -fahren zu sprechen und nie ihren Ballonfahrernamen zu vergessen. Beides kann unter Eingeweihten zu kostenträchtigen Lokalrunden führen, wie sich bereits im Anschluss an die Taufe zeigt.
Dafür dürfen die frischgebackenen Ballonritter Ansprüche auf die von ihnen überfahrenen Ländereien erheben. Zu Grundstücksverhandlungen erscheint demnächst also "Uwe Überfürst an der Mettwurst von Borghorst zu Dumte".

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