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Irgend etwas

blüht immer

Madeira ist eine Blumeninsel

 

Staunend blicken die vier alten Männer in den Terminal aus grünem Stahl und poliertem Glas. "Das dort ist mein Sohn", zeigt der 75-jährige Antonio auf einen Uniformierten, der gerade Fahrgäste in die Talstation der Bergbahn von Funchal dirigiert. Seit dem 15. November 2000 verbindet sie die Avenido do Mar mit dem 600 Meter hohen Monte. Von der österreichischen Spezialfirma Doppelmayr gebaut, läuft sie zum erstenmal im Vollbetrieb. Nicht unbedingt zu Antonios Freude, gibt sie doch auch einige intime Stätten seiner Heimat ungeschützt den Blicken der Touristen preis. Lautlos gleiten in der Stunde bis zu 800 Fahrgäste in 39 Kabinen 3,174 Kilometer lang über die Altstadt von Funchal, die zurzeit um eine Sanierung ohne Gesichtsverlust ringt. Kleine Plantagen mit Bananen ziehen vorbei. Ganzjährig wird auf den schmalen Terrassen unter oft abenteuerlichen Bedingungen geerntet.

Antonio denkt an seinen Enkel. Der ist Taxifahrer und hat die Touristen bisher auf den Monte gefahren. Dort besichtigen sie auf dem Rückweg zu Fuß den Botanischen Garten oder lassen sich mit den berühmten Korbschlitten über vier Kilometer wieder zu Tal chauffieren. Aber Taxifahrer werden auch weiterhin benötigt, denkt der Alte und blickt zu den Talbrücken der neuen Schnellstraße. Seit einem Monat entlastet sie die Innenstadt und verbindet Funchal in rund 20 Minuten mit dem Flughafen. Dort atmeten Piloten und Stamm-Fluggäste am 15. September gleichermaßen auf, als der portugiesische Staatspräsident Jorge Sampaio die Verlängerung der Start- und Landebahn auf Großflugzeug freundliche 2781 Meter einweihte.

Baukräne lassen ahnen, was sich die Insel von der Flughafenerweiterung verspricht. Die Kette von Hotels und Appartementhäusern erhält immer noch neue Glieder. Nicht jede Anlage fügt sich dabei so harmonisch in die Hänge ein, wie das nagelneue Pestana Miramar. Kurz nach seiner vorzeitigen Fertigstellung sind die Nutzungsrechte an seinen Vier-Sterne-Appartements bereits nahezu ausverkauft, was es auch seiner Partnerschaft mit dem Ferientausch-Branchenführer RCI verdankt.

Antonio möchte mit niemandem tauschen. Nie käme es ihm in den Sinn, seine Heimat, die wegen ihres milden Dauerklimas auch Insel des ewigen Frühlings genannt wird, zu verlassen. Genau den suchen auch die Fremden, die sich selbst im November noch über eine Blumenpracht wundern, die sie in ihrer Heimat das ganze Jahr über kaum finden. Irgendetwas blüht immer. Manchmal muss Antonio schmunzeln, wenn er die Besucher mit großen Kartons von Strelizien abreisen sieht. Hier gedeiht die "Paradiesvogelblume" fast an jeder Ecke, gleich gefolgt vom Sonnenbrand lindernden Aloe. Und Weihnachtssterne gibt es strauchweise. Madeira ist eine grüne Vulkaninsel, die keine Wasserarmut kennt. Die kurzen Schauer stören nicht wirklich, Regenbögen überspannen dann die alten Herrenhäuser und prächtigen Gärten.

Der Alte mag die Feriengäste, bei denen die reiferen, gutsituierten Jahrgänge überwiegen. Sie wandern, spielen Golf oder Tennis, segeln, surfen, fischen oder vertrauen sich dem Gleitfallschirm an. In Antonios Verwandtschaft lebt nahezu jeder irgendwie von ihnen. Ein Sohn ist Kellner und serviert am Hafen, wo die weißen Kreuzfahrtschiffe täglich wechseln, Espada. Der Degenfisch im Teigmantel mit Banane darf auf der Speisekarte ebenso wenig fehlen wie der köstliche Madeira als Dessertwein. Ein Enkel fährt die Gäste mit seinem Boot zum Hochseeangeln oder zur Delphinschau in freier Natur, eine Enkelin putzt im Carlton Park Hotel. Selbst ein Autoverleiher gehört zum erweiterten Familienkreis. Seine Kunden müssen niedrige Getriebegänge und Durchschnittsgeschwindigkeiten von unter 40 Stundenkilometern mögen, denn die Spitzkehren, Serpentinen und Gefällstrecken der Insel verlangen dem Fahrer einiges ab. Obwohl nur 57 Kilometer lang und 22 Kilometer breit, lässt sich Madeira schon aus topographischen Gründen nur mühsam an einem Tag umrunden.

Wozu auch die Eile, wenn sich hinter jeder Kurve der Vorhang zu einer neue Episode eines unvergleichlichen Naturschauspiels hebt. In den Hauptrollen geheimnisvolle Schluchten, schroffe Felswände und der tiefblaue Atlantik. Von Schwindel erregenden Höhen blickt der Autofahrer hinab auf Porto da Cruz, wo noch eine Zuckerrohrmühle arbeitet. In einer Felsnische an der Straße hat eine Familie einen Ofen aufgebaut und bietet duftende Bolos do Caco an, Fladenbrote mit reichlich Knoblauchbutter. Bananen und Kohl ergänzen das Sortiment. Das Wohlstandsgefälle zwischen Hauptstadt und Land ist hier spürbar. Aus der Ferne grüßt Porto Santo, die andere bewohnte Insel dieser Gruppe, der Madeira die ausgedehnten Sandstrände neidet. Überall ziehen sich kleine Adern durch die dichtbewaldeten Hänge: Levadas. An den Rändern der Gräben dieses ausgeklügelten Bewässerungssystems erwarten den Wanderer anspruchsvolle Touren. Wer besonders hoch hinaus möchte, besteigt den Pico Gordo, mit 1864 Metern Madeiras höchste Erhebung.

In Sao Vicente würde Antonio sicher die elektrische Opferkerzenanlage in der ansonsten malerischen Pfarrkirche missbilligen. Hier muss der Autofahrer sich entscheiden. Nimmt er den Weg über den 1007 Meter hoch gelegenen Pass Boca da Encumeada, belohnt ihn ein Panoramablick für die unzähligen Serpentinen, der seinesgleichen sucht. Wählt er die Fahrt durch den neuen Tunnel, ist es beinahe nur noch ein Katzensprung zurück nach Funchal. Wer dagegen Zeit mitgebracht hat, setzt die Rundreise fort. Vorher besichtigt er vielleicht die Grutas. In den 700 Meter langen Höhlengängen erinnert erstarrte Lava an den vulkanischen Ursprung der Insel.

Weiter die Küste entlang, erreicht der Ausflügler schließlich Porto Moniz. In Lavagestein eingelassen laden vom Atlantik gespeiste Naturschwimmbecken (Bild rechts) zum Bad ein. Einige Kilometer später beginnt der Aufstieg zur Paul da Serra. Wie eine andere Welt mutet die bis zu 1600 Meter hoch gelegene kahle Ebene an, wo die meist von Norden heranziehenden Wolken viel von ihrer feuchten Fracht abladen. Ziegen und Schafe verbergen sich im Gestrüpp, kleine Gruppen wildlebender brauner Kühe zwingen den Fahrer zu erhöhter Aufmerksamkeit. Durch einen Eukalyptuswald geht es wieder hinab. Und schon wenig später wieder hinauf: 580 Meter fällt der Felsen vom Cabo Girao, dem zweithöchsten Kap der Erde, steil ins Meer hinab (Bild links). Eine Herausforderung für Paraglider und Basejumper. Von hier aus reicht der Blick nach Camara de Lobos, wo einst Sir Winston Churchill den Pinsel über die Staffelei kreisen ließ. Dort schlägt das Herz der Hochseefischerei, dort fuhr Antonio früher mit auf Tun-, Schwert- und Degenfisch.

Nun hat Antonio sich mit seinen Freunden auf eine Bank an der Avenido do Mar gesetzt. Unablässig schweben die Kabinen auf und ab. Der Alte hat ein kleines Kofferradio eingeschaltet. Aus vielen offenen Autofenstern ist das selbe Programm zu hören. Maritimo Funchal spielt gegen Pacos Ferreira. Es steht 1:1. Irgendwann will auch Antonio einmal mit der Bergbahn fahren.

Uwe Wahlbrink ©12/2000

Informationen: Madeira-Web, Portugiesisches Touristik- und Handelsbüro, Schäfergasse 17, 60313 Frankfurt, Telefon 069/290549, Telefax 069/231433; Portugal, Hotel: www.pestana.com, Ferientauschrechte www.rci.com . Weitere Links: auf Madeira kennengelernt; und
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