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Im Schatten

der grauen Nase

Die Türkische Riviera kann mit ihren Pfunden wuchern

Plötzlich muss alles ganz schnell gehen. "Rundschlag rechts! – Zieht! – Alle zurück!" Fast überschlagen sich die Kommandos. Kaum einer glaubt, das geräumige Airraft-Schlauchboot gehorche ihnen wirklich. Und doch – nach einer letzten Kraftanstrengung seiner Paddler tanzt es auf einer Welle geradewegs durch die Stromschnelle "Himmelsleiter" in ruhigeres Fahrwasser hinein. "Geschafft", lächeln sich zwölf Augenpaare unter gelben Schutzhelmen an, als ihnen der Köprülü eine kurze Atempause gewährt. "Genau das Richtige für Anfänger", hat Bootsführer Ali Fuat den wildromantischen Fluss zuvor beruhigend eingestuft. Beim Schwierigkeitsgrad von maximal 3plus – Höchststufe 6 gilt als unbefahrbar – genießen selbst eingefleischte Landratten das Wildwasserfahren vorbei an Pinienhainen und Oleanderbüschen in den Ausläufern des Taurusgebirges. In der Ferne hält sich der 2650 Meter hohe Bozdurum - die "Graue Nase" - noch im Mai mit dünnem Schnee bedeckt und macht seinem Namen somit alle Ehre.

Raftingtouren im Hinterland der türkischen Rivera liegen voll im Trend. Der Einstieg, auch zu Mehr-Tagesfahrten, liegt auf halbem Weg zur Ruinenstätte Selge. Er ist in einer guten Bus-Stunde von der Mittelmeerküste aus zu erreichen, wo gepflegte Vier- und Fünf-Sterne-Hotelanlagen wie an einer Perlenkette aufgereiht liegen. Auch Canyoning und Ausflüge in den Klettergarten bieten willkommenen Kontrast zum Strandleben. Und Abwechslung vom Golfspielen – obwohl die passionierteren Holz- und Eisenschwinger die herrlichen Grüns beim aufstrebenden Belek kaum verlassen dürften. Auf den 18 Löchern des Gloria Golf Resort Hotels haben schon Weltklassespieler ihre Visitenkarte abgegeben. Von einer zweigeschossige Bühne aus kann der Abschlag auf die Driving Range geübt werden.

Doch für derlei Gedanken ist in dem Boot im Moment keine Zeit. Denn schon bittet der Köprülü zum nächsten Tanz: Im "Roulette" wirbelt er die in moderne Neopren-Anzüge gehüllte Mannschaft gehörig durcheinander. Gerade noch vermeidet sie die im Strudel drohende Ehrenrunde und entgeht so schadenfrohen Blicken der schon am Ufer wartenden Teams. Die in Weinblatt gegrillte Forelle, am Ende der Tour in einer Laube unter schattigen Bäumen zu kühlem Kirschsaft serviert, hat sich die Gruppe redlich verdient. "Ich bin stolz auf euch", verteilt Ali Erinnerungsurkunden.

Die Freizeitindustrie läuft in der Türkei auf vollen Touren. Das traditionsreiche Land zwischen Bosporus und syrischer Grenze setzt voll auf das Geschäft mit den Urlaubern. Deren Zahl, sagt Generaldirektor Mustafa Siyahhan aus dem Tourismusministerium, soll bis zum Jahr 2010 von heute zwölf auf 50 Millionen wachsen: "Unser Land ist groß genug dafür." Die türkische Riviera möchte sich darin zusätzlich als Herbst- und Winterziel empfehlen, wenn Klima und Temperaturen sich auch für weniger robuste Naturen eignen. Die Küste zischen Antalya und Alanya ist aber für jede Jahreszeit gerüstet. So machen sich schon heute 40 Anbieter den Rafting-Markt auf dem Köprülü streitig, buhlen Wasserflugzeugpiloten um Kunden für den Kurztrip zur nächsten Stadt, und die Kapitäne von auf historisch getrimmten Galeeren bitten zur abendlichen Lampionfahrt mit Kerzenlichtdinner. Umfassend ist die ganze Palette des Wassersports. Die schon sprichwörtliche Freundlichkeit der Gastgeber, nie aufgesetzt wirkend, vollendet die Urlaubserlebnisse.

Ein ganz besonderes Pfund, mit dem die Türkei wuchern kann, ist ihre Ursprünglichkeit. Wenige hundert Meter hinter den oft fantasievollen Hotelpalästen aus Holz, Glas und Marmor beginnt eine für den Westeuropäer fremde Welt, die von Gastfreundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Fleiß, aber auch oft bitterer Armut geprägt ist. Zafer Toyran, 30-jähriger Ingenieur, bringt Touristen diese Welt mit einem zum Planwagen umgebauten Lkw ein wenig näher. Fast möchte der Urlauber Mitleid haben mit den kleinen, zähen Eseln, auf deren Rücken es anschließend eine gute Stunde über verschwiegende Pfade vorbei an Johannisbrotbäumen und Baumwollfeldern geht. Auf den Vorschlag "Bei halber Strecke wird mit dem Esel getauscht" geht dennoch keiner ein.

Der kleine Bauernhof, an dem der Planwagen wartet, erschließt sich dem westfälisch geprägten Auge nicht sofort als solcher. Unweit einer Schule und einer kleinen Moschee lassen ein paar Ziegen und eine Stromleitung an dem verfallen erscheinenden Gehöft allenfalls auf Leben schließen. Und tatsächlich, im Schatten einiger Johannisbrotbäume hat eine Familie ihre Sommerküche im Freien aufgeschlagen und bereitet Fladenbrot vor. Frisch gebacken ist es mit Ziegenkäse eine Delikatesse. Dazu reicht der Bauer Ayran – einen erfrischenden Trunk aus gesalzenem Yoghurt. "In den Dörfern basiert das Leben noch stark auf den Werten Namus, Saygi und Seref (Ehre, Achtung, Würde)", sagt Zafer Toyran, sich als exzellenter Kenner seiner Heimat erweisend. Detailgenau schildert er, wie sich vor diesem Hintergrund Brautwerbung, Hochzeit und familiäres Zusammenleben abspielen. In der sauberen, mit handgeknüpften Teppichen ausgelegten Stube macht sich eine andächtige Stimmung breit. Sie löst sich erst, als Zafer lächelnd zur Heimfahrt auf die Ladefläche bittet. ----- © 08/01 Uwe Wahlbrink


Türkei-Informationen: Fremdenverkehrsamt der Türkei, Baseler Straße 35–37, 60329 Frankfurt,  069/ 23 30 81 82; Internet:
www.turkey.com

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